Sounds of Silence (1966)

Das zweite Album erschien, nachdem der Titelsong bereits zum absoluten Megahit geworden war. Dennoch ist der Rest nicht etwa schmückendes Beiwerk, sondern zeigt Paul Simon auf dem Höhepunkt seiner Texterkunst und das Duo in bestechender musikalischer Form.

Eröffnet wird das Album von der Rock-Fassung von "The Sound of Silence". Dies ist die Version, die die Hitparaden stürmte. Ob man diese oder die Akustikfassung des Vorgängeralbums als besser ansieht, ist Geschmackssache - eines der besten Lieder aller Zeiten ist es in beiden Versionen.
Das darauffolgende "Leaves that are green" ist eines der typischen Lieder, in denen eine Metapher in großem Stil ausgebaut wird. Dadurch gelingt eine berührende Erzählung über die Vergänglichkeit des Lebens - eine beeindruckende Analyse für einen so jungen Texter. "Blessed" greift durch Bibel-Zitate als einziges Stück des Albums ausdrücklich die christliche Thematik wieder auf, jedoch schon mit deutlich zweiflerischen Untertönen und mit ungewohnt disharmonischer Begleitung.
Das vierte Stück, "Kathy's Song" ist wohl das Lied aus dem gesamten Repertoire des Duos, in das am meisten von Simons Herzblut eingeflossen ist. Er textet und singt mit unglaublicher Hingabe von der Trennung von seiner großen Liebe, und so gelingt ihm eines der berührendsten Liebeslieder aller Zeiten.
Darauf folgt "Somewhere they can't find me", ebenfalls ein ungewöhnliches Stück. Denn es ist eine Neubearbeitung des Titelliedes von "Wednesday Morning, 3 A.M.". Die Texte unterscheiden sich nicht allzusehr, aber durch die Änderungen und die völlig verschiedenen Melodien hat es eine ganz eigene Note und bringt andere Aussagen. "Anji" ist das einzige Instrumentalstück überhaupt, eines ihrer musikalischen Experimente.
Direkt hintereinander stehen nun zwei Selbstmordballaden. "Richard Cory", auf einem bekannten Gedicht basierend, erzählt in durchdachten Versen und mitreißender Musik vom "armen reichen Mann" und ist somit das neben "The Sound of Silence" sozialkritisch engagierteste Stück des Albums. "A most peculiar Man" dagegen beschreibt ausgesprochen einfühlsam das Ende eines Außenseiters - einer Figur, die in Simons Texten im Laufe der Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Eine der Bearbeitungen überlieferter Texte ist "April come she will", das auf einem Kinderreim basiert, in seiner sprachlichen und musikalischen Einfachheit aber trotzdem eine Menge Aussagen unterbringt. Kurz vor dem Ende steht mit "We've got a groovy Thing goin'" ein ungewöhnlich inhaltsleeres Lied, das in seiner Unbekümmerteit aber im Albumzusammenhang an dieser Stelle genau passt.
Denn als letztes Stück beschließt "I am a Rock" das Album, das, wenn man "The Sound of Silence" als Zweitverwertung außen vor lässt, der absolute Höhepunkt ist. In unvergleichlich durchkonstruierten Texten begleitet mit perfekt passender Musik machen die beiden eine ihrer berührendsten und erschreckendsten Analysen eines menschlichen Charakters.

Schon mit seinem zweiten Album hat das Duo also seinen eigenen Stil vollständig gefunden - durch die komplette Besinnung auf eigene Werke kommt dieser endlich voll zur Geltung. Neben ihrem größten Hit, der den Titel gab, enthält es einige weitere ihrer besten und bekanntesten Stücke, die Texte sind perfekt ausgearbeitet. In den späteren Werken steigert sich die musikalische Virtuosität noch ein wenig, aber prinzipiell hat dieses Album alles, was man an Simon & Garfunkel liebt.

( 9,5 | 10 )